Abenteuer Monotonie – Neue Wege durch die Routine

Eine Professorin für Digitalisierung eröffnet eine Veranstaltung. Sie bittet die Ministerin für Digitales zum Grußwort auf die Bühne. Beide tragen grüne Jacketts. Eine unerwartete Überraschung. Es ist offensichtlich. Die Ministerin für Digitales sagt sicher fünf Mal zur Gastgeberin: „Wir haben beide grüne Jacketts an. Was für ein Zufall. Na, eine von uns beiden zieht heute noch ihr Jackett aus. – Und ich bin es sicher nicht.“ Manche lachen. Manche sind peinlich berührt. So richtig passt der Humor nicht. Er schrammelt etwas an der hohen Erwartung in dieser Veranstaltung vorbei. Die Professorin schlägt sich tapfer. Moderiert einfach weiter. Für mich ist das nichts Besonderes. Es ist Alltag, Routine. Und mein Job ist es, solche Momente zu verwandeln, zu entspannen. Ich gehe für meinen Vortrag auf die Bühne und sage: „Zwei Expertinnen für Digitales. Zwei Genies im Geiste. Also auch zwei Genies im Farbgeschmack. Passend zum Frühling. Passend zur Zuversicht für die interessanten Wirtschaftsprojekte der Digitalisierung.“ Alle lachen. Alle entspannen sich.

Für die meisten Menschen ist Bühne etwas Besonderes. Für mich ist es Routine. Mit über 15 Jahren Bühnenerfahrung erlebe ich sehr unterschiedliche Redner:innen auf Bühnen. Aber eins ist allen gemein: die Aufregung und die Sprachlosigkeit bei Planänderungen.

Mein Job ist es, zu unterstützen, Lampenfieber zu senken und Menschen auf Bühnen gut dastehen zu lassen. Und immer darf ich Menschen zum Lachen bringen. Natürlich erlebe auch ich Sprachlosigkeit, Irritationen und Widerstände. Aber oft verwandle ich skeptische Gesichter in freudige Neugier. Und Widerstände in eine entspannte Lernatmosphäre. Für diese permanente Verwandlung auf Bühnen benötige ich Routine. Die darf nur nicht zu monoton werden, denn dann wird man schnell ideenlos, zynisch und verbissen. Und dann ist nicht mehr viel Verwandlung zum Beispiel bei Fehlern, Planänderungen oder Sprachlosigkeiten auf der Bühne.

Exzellenz benötigt Routine. Das erfordert Wiederholungen, Routine, Scheitern und weiter üben. Und doch wird Routine in diesen Bereichen auch oft zu Monotonie und zu Abstumpfung. Experten schauen nicht mehr wirklich hin, Expertinnen sind nicht mehr lebendig. Die Strategien zum Erfolg sind jedoch nicht dieselben wie die Strategien, um Erfolg und Routine auszuhalten. Wenn von uns auf der Bühne permanent Kreativitätsfeuerwerke und Exzellenz erwartet werden, dann benötigen wir permanent ein Feuerwerk an Ideenproduktion in der Vorbereitung von Veranstaltungen. In dieser Routine lässt die Monotonie jedoch nicht lange auf sich warten. Gerade in der Routine lauern Überraschungen und diese dürfen und müssen wir verwandeln. Damit man auch als Expertin oder Berater nicht verbissen, verbittert oder zynisch wird.

Sting ging bei einer nachhaltigen Schreibblockade an den Ursprung seiner Kindheit zurück. Er wuchs in einem Hafenort bei Newcastle auf. Er schrieb ein Bühnenprogramm über eine Schiffswerft. Und konnte dann langsam wieder schreiben.

Eine Strategie Routine, Monotonie oder sogar Ideenlosigkeit auszuhalten, ist also die Besinnung auf den eigenen Ursprung. Wie und warum hat man sich für diesen Beruf entschieden. Welche Ausbildung hatte man zuerst. Wie hat man in diesem Job eigentlich angefangen. Worin lag die größte Freude. Mein Ursprung ist die Sozialpädagogik. Nach diesem Studium habe ich meine handwerkliche Ausbildung, meine warmherzige Art und die Fähigkeit des methodisch-didaktischen Blickes sehr zu schätzen gelernt. Mein erstes

Forschungsthema war Humor in der Therapie. Darüber habe ich bereits meine Diplomarbeit geschrieben. Diese Ursprünge haben wenig mit meinem heutigen Job in Unternehmen, im Sales und im Marketing zu tun. Und doch ist es inspirierend, sich in diese Anfänge wieder zu vertiefen, mit den Menschen aus meiner ursprünglichen Ausbildung zu sprechen, Kolleg:innen von damals einfach mal anzurufen. Diese Perspektivwechsel helfen mir, mich daran zu erinnern, was mir wichtig ist und wo ich herkomme.

Der Irrtum bei der Routine ist oft, mehr Erfolg haben zu wollen: größere Produkte, mehr Veranstaltungen, neue Agenturen, andere Kunden. Wenn ein Musiker in einem Musikstück ein komplizierte Abfolge noch nicht exzellent spielen kann, dann nimmt er einige Takte aus dem Stück heraus und spielt sie sehr oft sehr viel langsamer. Um es im Anschluss wieder in das Gesamtstück einzusetzen. Es ist überlebensnotwendig die Routine eines Experten immer wieder aus der Distanz zu betrachten, langsamer zu gehen und in allen Einzelheiten zu überprüfen, ob es noch der versprochenen Exzellenz entspricht. Das erfordert ein Abenteuer in der Langsamkeit entdecken zu können. Das gilt für den Vertriebsdirektor, die Herzchirurgin und den Vorstandsvorsitzenden gleichermaßen.

Wer Erfolg hat, muss ihn aushalten können. Man muss dafür auch die Routine und Monotonie aushalten. Monotonie lässt sich jedoch als Abenteuer erstaunlich gut aushalten.

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