Die Generation Z – Das Ende des Wohlstands?

Wenn man bestimmten Gesprächen lauscht, bestimmte Medien konsumiert oder bestimmten Multiplikatoren zuhört, erscheint es unvermeidlich: Das, was da als neue Generation heranwächst, sorgt für das Ende unserer Wohlstandsgesellschaft. Niemand will mehr arbeiten, alle wollen nur noch Urlaub. Und wenn schon nicht Urlaub, dann zumindest Workacion, 4-Tage-Woche (für die ganz Fleißigen, 3 Tage tun’s sonst auch) und ab 12 Uhr nur noch Welpen-Yoga, Avocado-Toast und Selfie-Time. Also in Kürze: Faul, frech und furchtbar anspruchsvoll.

Und jeder kann diese Haltung auch mit persönlichen Stories unterlegen. Da ist der Azubi, der immer schon um 16 Uhr Feierabend macht. Die Bewerberin, die schon im Vorstellungsgespräch nach Urlaub fragt. Und die neue Mitarbeiterin, die schon bei der kleinsten Mehrbelastung heulend zusammenbricht.

Ist die Generation Z also ein Haufen verweichlichter Faulpelze? Oder bilden sich die Erzähler obiger Stories das alles nur ein?

Die Antwort ist auf beide Fragen lautet ja. Und nein. Dazu muss ich ein wenig ausholen.

„Die Jugend von heute“ im Laufe der Zeit

Zuerst einmal: „Unsere heutige Jugend ist klasse – fleißig, zielstrebig und gewissenhaft“ – ist ein Satz, den noch nie eine ältere Generation über die jüngere gesagt hat. Im Gegenteil. Alles, was ich oben als überspitzte Stereotype angeführt habe, lässt sich über die Jahrtausende festhalten. Hier nur ein paar wenige Beispiele:

„Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul. Sie wird niemals so sein wie die Jugend vor ihr [Anm.: also wir!] und es wird ihr niemals gelingen, unsere Kultur zu erhalten.“

„Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe.“

„Die Schüler achten Lehrer und Erzieher gering. Überhaupt, die Jüngeren stellen sich den Älteren gleich und treten gegen sie auf in Wort und Tat“.

Abgesehen von sprachlichen Besonderheiten könnten diese Zitate aus wütenden Linkedin-Posts oder BILD-Schlagzeilen stammen. Tun sie aber nicht: sie stammen von babylonischen Steintafeln (1.000 v. Chr.), uralten Keilschriften (2.000 v. Chr.) und Platon.

Aber auch Melanchton wusste um 1530 bereits, dass „der grenzenlose Mutwille der Jugend ein Zeichen [ist], dass der Weltuntergang nah bevorsteht.“

Diese Aussagen lassen sich über die Jahrtausende nachvollziehen, bis in die Neuzeit. So informierte die DIHK 1965 darüber, dass „knapp 50% aller Lehrlinge mangelhafte oder stark defizitäre Leistungen in der Mathematik“ zeigen. Und DIHK-Chef Hans Heinrich Driftmann stellte klar: „Fehlende Disziplin, mangelnde Leistungsbereitschaft, geringe Belastbarkeit – die

Azubis machen unseren Unternehmen Sorgen“. Allerdings tat er das 2011 und sprach damit nicht über die Generation Z (die damals noch gar nicht geboren, allenfalls aber im jungen Teenager-Alter war), sondern über meine Generation, die Millennials.

Die Wissenschaft hat dafür das schöne Wort „Juvenoia“ geprägt: Die Angst der Älteren vor dem, was die Jüngeren tun.

Denn, wenn ich mich vage zurückerinnere, meine ich mich zu erinnern, dass meine Eltern es auch sehr suspekt fanden, dass ich meine Zeit lieber mit Comics oder Fernsehen verbracht habe, als wie zu ihrer Zeit fleißig zu lernen, brav Bitte und Danke zu sagen und den sonntäglichen Kirchgang zu pflegen. Ach ja, ordentliche Musik haben man damals auch noch gehört. (Woher damals populäre Freche-Jungen-Figuren wie Pepe Nietnagel und Co. dann kamen, wurde mir bisher nicht beantwortet).

Kann es sein, dass ein Teil der Kritik, die wir an der Generation Z haben, einfach daran liegt, dass wir alt geworden sind? Und dass jede Generation die immer gleichen Vorwürfe an die Jugend stellt – weil man selbst früher ja ganz anders war? Eine andere Erklärung für die oben gezeigten Zitate fällt mir persönlich jedenfalls nicht ein.

Das lässt für mich ein Zwischenfazit zu: Ja, es gibt diese Beispiele arbeitsscheuer, undisziplinierter und übertrieben bequemer junger Menschen. Nur beschreibt das nicht eine ganze Generation. Und wenn wir ehrlich sind, hatten „die Alten“ zu „unserer Zeit“ genau die gleichen Beschwerden. Und wenn das so ist, können wir beruhigt sein: Die heutige Generation Z wird sich in 20 Jahren genau so über die Generation Alpha aufregen.

Was sagt die Studienlage?

Studien

Und mal ehrlich…

Warum glauben wir eigentlich, dass die 40-Stunden-Woche in Stein gemeiselt ist? Den gleichen Aufschrei, den es jetzt gibt, gab es bei der Einführung des 8-Stunden-Tages und bei der 5-Tage-Woche. Jedes Mal war das Ende des Abendlandes, zumindest aber unserer Volkswirtschaft die scheinbar unausweichliche Folge.

Studien zeigen schon lange, dass kein noch so fleißiger Arbeitnehmer 8 Stunden am Tag produktiv arbeitet. Manche Publikationen gehen sogar von unter einer Stunde produktiver Arbeit pro Tag aus.

Letztlich geht es nicht darum, möglichst lange am Arbeitsplatz zu verweilden, sondern um Produktivität. Und das spielt der Gen Z in die Karten. Durch Digitalisierung und vor allem künstliche Intelligenz wird immer weniger menschliche Arbeitsleistung nötig für die gleiche oder gar höhere Produktivität. Der Gedanke, den Wert einer Erwerbsperson da noch an der aufgebrachten Stundenzeit festzumachen, wirkt einfach genau so altbacken wie die Tatsache, dass das TV-Programm früher um 00:30 Uhr einfach endete. Für einen heute 18-Jährigen kaum vorstellbar.

Fazit

Die Generation Z ist frech, laut, fordernd und unbequem. Das hat sie mit jeder Generation in ihren Jugendjahren gemein. Wer sich heute echauffiert, darf gern mal einen Blick in die Geschichtsbücher werfen oder mit „richtig“ alten Leuten über seine eigene Jugend sprechen. Dann wird schnell klar: „Wir früher“ waren auch nicht anders.

Die Gen Z ist eine bunte Generation voller Individuen. Es gibt Hochleister und Arbeitsverweigerinnen, Öko-Aktivistinnen und Verschwender, Zielstrebige und Faule. Wer eine ganze Generation mit Schlagworten und Plattitüden abtut, gewinnt nicht nur nichts, er verliert auch den Zugang zur künftig wichtigsten Generation auf dem Arbeits- und Konsumentenmarkt.

Und schließlich: Die Gen Z ist ein Produkt ihrer Lebensumstände, die WIR geschaffen haben. Und sie sieht eine Zukunft vor sich, die WIR gestaltet haben. Sie muss jetzt damit klarkommen und stellt sich entsprechend darauf ein. Da sind ein paar Forderungen und ein bisschen Unbequemlichkeit das Mindeste, womit wir umgehen lernen müssen.

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?

Dann vergeben Sie ein Like und tragen Sie dazu bei, dass wir wissen, welche Themen die meisten Menschen bewegen.

Ein Beitrag von: