Kartellrechtliche Maßstäbe und Digitalisierung im Vertrieb sorgen für Preisprobleme am Markt. Höchste Zeit die neue vertikale GVO in ein selektives Vertriebssystem umzusetzen!

Können Sie sich noch eine Zeit ohne Internet vorstellen? Wohl kaum, denn schnell haben wir uns alle daran gewöhnt, dass „ein Click“ genügt und schon hat man alle Zahlen, Daten und Fakten zu jedem Produkt sofort auf dem Display des Smartphones.  

Die Tragik dabei ist, dass Onlinehändler und Online-Drittplattformen sowohl den Endkunden, als auch den Absatzmittlern im Handel eine nie dagewesene Transparenz über Produktvarianten, Verfügbarkeiten und Preise verschaffen. Dies führt letztlich zu einem ruinösen Preiswettbewerb, der den qualitativen Leistungswettbewerb unter dem Fachhandel aushebelt.  

Bei jedem Markenhersteller sollten deshalb die Alarmglocken klingeln. Doch leider wird in manchen Chefetagen der schnelle Euro mehr geschätzt, als eine profitable Langfriststrategie. Vielerorts stürzt man sich in Online-Aktivitäten und „Multi-Channel-Business“. Der Aufschrei wird dann groß – und kommt zu spät – wenn man sieht, dass die für Vertrieb und Service wichtigen Fachhandelspartner, oder auch ausführende Handwerksunternehmen, mit den Online-Preisen nicht mehr konkurrieren können und vom Markt verschwinden.  

Es sollte jedem Markenhersteller klar sein, dass man sich diesen Verlust von Handelskanälen nicht leisten kann. Insofern bleibt nur der Weg in ein neues selektives Vertriebssystem. Das bedeutet, dass der Hersteller selbst und aktiv die Vertriebssteuerung und Markenführung übernehmen muss! Sowohl über die stationären wie auch die Online-Handelsformate!   

Was sind selektive Vertriebssysteme? 

Mit dieser Strategie hat der Hersteller die Möglichkeit bestimmte qualitative Anforderungen an die Händler, welche seine Produkte an den Kunden bringen sollen, zu definieren. Es handelt sich um „zugelassene Absatzmittler“, diese können beispielsweise durch das Frequenz-System® definiert werden. Bei der individuellen Händlerbeurteilung kommen verschiedene Kriterien zur Anwendung, beispielsweise die Kundenanzahl in Zielbranchen, die Sortimentspolitik oder auch Annahmen zum Kaufverhalten der Endkunden. Auf dieser Basis kann dann die Vertriebsstrategie und auch das leistungsorientierte Konditionssystem erarbeitet werden. Wichtig ist, es geht dabei nicht nur um Preise, Rabatte, Boni – das Prinzip aus Leistung und Gegenleistung muss zielorientiert festgelegt sein.  

Deshalb stellt der Hersteller konkrete Anforderungen an seine künftigen Vertriebspartner. Beispielsweise sind dies eine spezielle Präsentation der Produkte, das Vorhandensein von besonders geschultem Personal, spezifische Mindestabnahmeverpflichtungen oder auch die Teilnahmepflicht an Trainings-, Marketing- und Werbemaßnahmen des Herstellers.  

Ein besonderer Effekt ist es, wenn der Hersteller auch die Beschränkung festlegt, dass seine Produkte nicht mehr an nicht zugelassene gewerbliche Zwischenhändler oder im Internet auf Drittplattformen wie Online-Marktplätzen, Amazon & Co. veräußert werden dürfen.  

Das Kartellrecht mit der neuen vertikalen GVO-Verordnung hat dies möglich gemacht. Eigentlich sollte dies ein Grund zum Jubeln sein – sowohl für den qualitativen Fachhandel wie auch für den Markenhersteller. Da diese Form der Vertriebsstrategie aber eine andere Form der Führung fordert, braucht es eine neue Konsequenz im Handeln. Sowohl was die eigene Vertriebsmannschaft anbelangt wie auch bei der notwendigen Segmentierung und Qualifizierung der Handelspartner.   

Dennoch führt an dieser zukunftsorientierten Ausrichtung kein Weg vorbei, wenn man auch weiterhin als attraktive Marke am Markt erlebbar sein will. Spezialisten wie Markus Nessler, Kartellrechtsexperte und Rechtsanwalt, setzen sich daher vehement dafür ein, dass sich solche gedanklich geschlossenen selektiven Vertriebssysteme bei den Markenherstellern etablieren.  

Wie wirksam dies ist, zeigt die qualitativ hochwertige Vermarktung der Premium-Elektrowerkzeugmarke Milwaukee in den Märkten der DACH-Region. Gemeinsam mit dem Geschäftsführer Stefan Schütz wurde von Markus Nessler, in enger Zusammenarbeit mit dem Strategieberater Wolf Hirschmann ein rechtlicher Rahmen definiert, der sowohl für den Hersteller wie auch für dessen Fachhändler, ein zukunftsfähiges Konzept mit attraktiven Margen sicherstellt. Dies bedeutet, dass Handelspartner die nicht entsprechend autorisiert sind, die vertriebsgebundenen Produkte nicht beziehen und mithin nicht vertreiben können. Durch diese starke Kooperation setzt man den, seit 2017, eingeschlagenen Kurs noch konsequenter fort und erfreut sich weiterhin an zweistelligem Umsatzwachstum.   

Für Markenhersteller ist es an der Zeit, die grundsätzlichen Veränderungen in der Vertriebskette wirklich ernst zu nehmen. Es braucht eine neue strategische Ausrichtung! Dazu müssen kluge Antworten auf wichtige Fragen überlegt werden, diese lauten z.B.: Was macht einen guten Händler in Zukunft wirklich aus? Wie nötig wäre ein einheitliches Netto-Netto-Bezugssystem für den europäischen Handel? Welche Qualität hat der Vertrieb? 

Es lohnt sich über einen neuen Spielraum für Veränderungen nachzudenken, sich auch dem massiven Druck seitens mächtiger Handelsoligopole bewusst zu stellen. Denn es gibt sie, die legalen Vertriebs- und Geschäftsmodelle, mit denen Markenhersteller sich erfolgreich auf die neuen Spielregeln in ihren Märkten einstellen können. 

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