Barcelona

„Ich glaube, wir haben ein Führungsproblem.“ Haben Sie sich auch schon bei diesem Gedanken erwischt?

In den obersten Führungsetagen hört man auch Sätze wie „Unser mittleres Management ist wie eine Lehmschicht“ (besser Lähmschicht), „Wir kommen mit unseren Strategien nicht bis zu den Mitarbeitern durch“ oder „Es fehlt an Loyalität zur Geschäftsleitung“.

„Wie und wohin sollen Ihre Führungskräfte denn führen?“, ist dann meine Frage, die häufig bestätigt, dass tatsächlich ein Führungsproblem besteht. Allerdings nicht auf der mittleren Ebene.

Stellen Sie sich vor, wir planen eine gemeinsame Reise, zum Beispiel nach Barcelona. Sehr schnell würden wir uns fragen, wozu wir dorthin wollen. Wird es ein Architekturtrip, ein Strandurlaub oder besuchen wir ein Fußballspiel? Was ist der Sinn und Zweck unserer Reise?

Stellen Sie sich vor, Sie sind Mitglied einer Geschäftsleitung, zum Beispiel einer Bank. Sie haben erst kürzlich die Vision Ihres Instituts erarbeitet. Diese lautet: „Wir sind die erfolgreichste Bank in unserer Region.“ Dann sollten Sie in der Lage sein, zwei Fragen zu beantworten:

  1. Was bedeutet das konkret?
  2. Wofür wollen Sie das?

Für die Reise nach Barcelona einigen wir uns auf ein verlängertes Wochenende zu den Themen Kunst und Architektur mit den Schwerpunkten Gaudí, Picasso und Miró. Damit ist vieles klarer: was wir erleben wollen, und sogar, was wir in unsere Koffer packen.

Als Bankleitungsmitglied beschreiben Sie darum, was „erfolgreichste Bank in der Region“ überhaupt bedeutet. Woran erkennen Sie das? Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft genau vor? Welche Mitarbeiter haben Sie? Wer sind Ihre wichtigsten Kunden? Was sagen diese über Sie? Mit welchen weiteren Anspruchsgruppen haben Sie es zu tun? Wie ist Ihre Vision für diese? Damit wird einiges klarer. Was noch immer fehlt, ist der Zweck. Wofür wird Ihre Bank gebraucht?

Walt Disney schreibt man folgenden Dialog zu: In einem Interview wurde er gefragt, wie er seinen großen wirtschaftlichen Erfolg rechtfertige, da es doch seine Unternehmensmission sei, die Menschen glücklich zu machen. Seine Antwort: Mehr wirtschaftlicher Erfolg ermöglicht es uns, noch mehr Menschen glücklich zu machen.

Das heißt: Ein Unternehmen ist erfolgreich, um seinen Unternehmenszweck noch besser erfüllen zu können.

Für Ihre Bank würde das beispielsweise bedeuten: „Wir wollen die erfolgreichste Bank der Region sein, um es den Menschen vor Ort einfacher zu machen, gut zu leben.“

Simon Sinek sagt dazu: Man kauft das „Wofür“ und nicht das „Was“ eines Unternehmens.

Für unsere Reiseplanung bedeutet das Folgendes: 41⁰24′13′′N 2⁰10′27′′E am 23.04.2022 um 10:00 Uhr ist zwar möglicherweise unser Ziel, die Motivation für unsere Reise finden wir jedoch in der Vorstellung von beeindruckender Architektur und verschiedenen sinnlichen Eindrücken.

Das „Wofür“ motiviert mehr als das „Was“.

Und Ihre Bank? Ihre klare Vision gibt Orientierung, die Mission die nötige Energie. „Wem genau kann ich es wie einfacher machen, gut zu leben?“ wird damit zur Leitfrage. Können Sie sich diese Bank vorstellen, in der jeder sein Verhalten jeden Tag an dieser Frage ausrichtet? In der sich zum Beispiel die Führungskräfte fragen, wie sie es ihren Mitarbeitern einfacher machen können, gute Leistungen zu erbringen? Eine Bank, in der sich die Kolleginnen und Kollegen täglich die Zusammenarbeit erleichtern? In der sich alle gemeinsam fragen, wie man es den Kunden einfacher machen kann, gut zu leben?

Ich kenne diese Bank. Sie ist die erfolgreichste Bank in ihrer Region.

Beachten Sie bitte die Reihenfolge: 1) Führungskräfte, 2) Mitarbeiter und 3) Kunden.
Das ist die Wirkungskette. Die wichtigsten Kunden der Geschäftsleitung sind die eigenen Führungskräfte
So gewinnt der erste Gedanke eine neue Perspektive: Wenn eine Geschäftsleitung von einem Führungsproblem im mittleren Management spricht, könnte sie ihre wichtigsten Kunden verlieren – nämlich die eigenen Führungskräfte. Möglicherweise ist das emotional bereits passiert.

Sollten Sie also der Ansicht sein, die Probleme Ihres Unternehmens liegen an der zweiten Führungsebene, dann ist die Lösung kein simples Schulungs- oder Trainingsprogramm. Vielmehr ist es die langfristige und konsequente Arbeit an der Unternehmenskultur. Schwerpunkte: Führung, Kommunikation, Kooperation, Konflikt- und Veränderungsmanagement.

Oder hätten Sie etwa Lust, mit einer zerstrittenen Reisegruppe nach Barcelona zu fahren?

Wohl kaum.

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