Der Lohn der Arbeit – von Sinn und Unsinn von Gratifikationsmodellen

Wofür arbeiten Sie? Menschen erwarten für ihre Arbeit eine entsprechende Entlohnung. Sie erwarten, dass ihre Qualifikation, ihre Erfolge und ihr Engagement gewürdigt werden. Das alles werfen sie in die Waagschale als die gefühlte Gegenleistung für ihre Arbeit – die Gratifikation.

Doch wenn das, was sie geben, so viel mehr zu wiegen scheint als das, was sie bekommen, dann kippt die Waage. Dann liegt eine Gratifikationskrise vor. In vielen Studien ist belegt, dass sich Gratifikationskrisen nicht nur negativ auf den Erfolg Ihrer Projekte, Ihrer Abteilung und Ihres Unternehmens auswirken, sondern auch auf den Gesundheitszustand Ihrer Mitarbeiter. Deshalb ist es für Führungskräfte, Selbstständige und Unternehmer essenziell wichtig, zu wissen, welche Gratifikationsmodelle funktionieren – und welche nicht.

Stellen Sie sich vor, Herr Fuchs ist in Ihrem Team der kreative Kopf. Jeden Monat bringt er einen praktikablen Verbesserungsvorschlag. Herr Fuchs bekommt dafür Respekt und Achtung von allen. Dann kommt Herr Schmidtlutz als neuer HR-Chef in Ihr Unternehmen. Er schlägt vor, dass ab sofort ein Teil des Gehaltes an das Erreichen bestimmter Ziele gekoppelt wird. Bei Herrn Fuchs werden 20 Prozent seines Gehaltes an die Verbesserungsvorschläge gekoppelt. Was passiert nach spätestens sechs Monaten? Herr Fuchs bringt keine neuen Ideen mehr! Auf dem Heimweg, beim Fahrradfahren oder Joggen, ständig kreisen seine Gedanken um den Vorschlag, den bringen soll. Er versteht nicht, warum ihm auf einmal nichts mehr einfällt.

Warum ist das so? Das ist menschlich und vorhersehbar. Ein klassischer Gratifikationsfehler. Vorher war Herr Fuchs das kreative Genie der Abteilung. Seine intrinsische Motivation war extrem hoch. Durch die Kopplung der leistungsbezogenen Vergütung an diese Ideen wurde aus der Freude ein Zwang. Indirekt schwang dabei die Drohung mit: „Wenn Sie nicht jeden Monat einen Verbesserungsvorschlag bringen, dann kürzen wir Ihr Gehalt um 20 Prozent!“ Druck erzeugt Stress und übermäßiger Stress ist einer der größten Kreativitäts- und Motivationskiller.

Was sind sinnvolle Gratifikationsmodelle und was können Vorgesetzte idealerweise tun?
Die drei wichtigsten Säulen der Gratifikation sind:

1. Finanzielle Entlohnung: Geld ist nicht alles, aber ganz ohne ist es schwierig. Gehalt und Glück steigen gemäß Studien bis zu einem Jahresgehalt von 60.000 Euro parallel an. Danach muss das Gehalt deutlich stärker steigen für etwas mehr Glück. 200 Euro sind für eine angestellte Reinigungskraft eine erfreuliche Gehaltserhöhung, dem CEO eines börsennotierten Unternehmens entlocken sie nur ein müdes Lächeln. Die Gehaltserhöhung muss also in Relation zum Grundgehalt stehen. Aber auch dann ist sie kein nachhaltiger Motivationsfaktor. Nach spätestens sechs Monaten hat sich die innere Sollstufe auf das neue Lohnniveau erhöht und auch die Reinigungskraft fällt ihrem Vorgesetzten nicht mehr um den Hals und sagt: „Ich danke dir für diese Gehaltserhöhung!“, sondern sie denkt sich vielleicht im Stillen: „War ja auch langsam Zeit …“

2. Qualifikation: Menschen mögen und brauchen Routinen. Wenn sich aber gar nichts ändert, wenn keine Herausforderungen mehr kommen, wenn keinerlei Anreiz mehr da ist, dann entsteht das Gefühl der Monotonie. Und Monotonie verursacht Demotivation. Fast alle Mitarbeiter schätzen es, wenn sie die Möglichkeit haben, sich beruflich wie privat weiterzuentwickeln. Die Möglichkeit der Weiterentwicklung kann auch für eine ausbleibende Beförderung einen gewissen Puffer schaffen, die drei Säulen der Gratifikation können sich gegenseitig etwas ausgleichen.

3. Anerkennung: Die Anerkennung ist zweifelsfrei die nachhaltigste und effektivste Säule der Gratifikation. Sicher kennen Sie den Spruch: „Ned gschimpft is globt gnug.“ So wird immer noch in vielen Unternehmen verfahren. Ein Lob ist jedoch als Gratifikationsbooster keinesfalls zu unterschätzen. Was ist ein echtes Lob? Ein echtes Lob gibt es zum Beispiel für das Erreichen eines Ziels. Ich empfehle Ihnen jedoch, nicht nur für erreichte Ziele zu loben. Sonst verpassen Sie es, Mitarbeitern, die sich sehr engagiert haben und dennoch den Abschluss nicht tätigen konnten, etwa weil krisenbedingt ein Zulieferer pleitegegangen ist, Wertschätzung zu vermitteln. Ein echtes Lob kann auch für eine wahrgenommene Anstrengung erfolgen. So können Sie auf dem Weg zum Ziel für Zwischenschritte Anerkennung zollen und auf diese Weise die Motivation und den Teamgeist besser aufrechterhalten. Ein echtes Lob sollte außerdem zeitnah erfolgen, gerecht sein und niemals persönlich wertend. Wenn Sie vor 99 Mitarbeitern zu Herrn Fuchs sagen: „Sie sind mein bester Mitarbeiter!“, dann riskieren Sie, dass die anderen 98 sagen: „Weißt du was? Dann mach doch deinen Kram mit dem Fuchs allein weiter!“ Wenn Sie Herrn Fuchs jedoch sagen: „Prima, dass Sie uns diesen Verbesserungsvorschlag gebracht haben!“, dann wird das auch von den anderen akzeptiert.
Die Königsdisziplin des Lobes ist das Danken. Dank holt die Anerkennung auf eine persönliche Ebene. Ein weiterer Faktor potenziert noch die Wertschätzung: die Inszenierung. Sie überreichen Herrn Fuchs zum Beispiel auf der Weihnachtsfeier ein wunderschön verpacktes Geschenk und sagen: „Lieber Herr Fuchs, herzlichen Dank für Ihre tollen Ideen, die haben uns allen das Leben leichter gemacht! Hier haben Sie einen Gutschein für ein Dinner in einem Sternerestaurant für Sie und Ihre Partnerin.“ Derselbe Anlass: Sie zitieren Herrn Fuchs am Neujahrstag in Ihr Büro und während Sie die Mails checken, sagen Sie: „Fuchs, gut dass Sie da sind. Letztes Jahr hat ja ganz gut geklappt. Habe Ihnen 200 Euro aufs Konto überwiesen.“ Gleicher Betrag – andere Inszenierung. Und damit ist die empfundene Gratifikation eine ganz andere.

Ich wünsche Ihnen viel Freude und Erfolg bei der Inszenierung Ihrer Gratifikation.

Bleiben Sie gesund in Führung.

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