Königsdisziplin in der Führung: Souveränität
«Verdammt – ich hätte anders reagieren sollen!» Kennen Sie das? Sie reflektieren eine Situation, reflektieren Ihr Verhalten – und im Nachhinein betrachtet wäre eine andere Reaktion besser gewesen. Die Tatsache, dass Sie in einem entspannten Moment zu diesem Schluss kommen, bedeutet: Sie haben eine bessere Lösung in sich, waren jedoch nicht in der Lage, diese im entscheidenden Moment abzurufen. Souveränität gibt uns die Möglichkeit, das, was in uns steckt, auch im passenden Moment zur Verfügung zu haben.
Warum ist Souveränität erstrebenswert?
Weil es ein extrem zufriedenstellender Zustand von Sicherheit in Verbindung mit Gelassenheit ist. Allein schon, wenn man sich dieses Gefühl geistig vorstellt, fühlt es sich auf eine ganz besondere Weise angenehm an.
Was ist Souveränität?
Die Literatur beschreibt es mit «den Überblick haben» und «Überlegenheit». Wichtig: Überlegenheit ist hier nicht zu verwechseln mit Überheblichkeit. Denn wer sich wirklich überlegen fühlt, der muss auch nichts beweisen, vor allem muss er dem anderen nicht beweisen, dass er toller, schöner, besser ist. Genau das Gegenteil ist der Fall. Wenn ich mich wirklich überlegen fühle, muss ich nicht kampfbereit sein, benötige keine Anspannung. Stattdessen habe ich dieses unglaublich gute Gefühl von Sicherheit in Verbindung mit Gelassenheit, das wir Souveränität nennen. Den nur in Verbindung mit Gelassenheit fühlt sich Sicherheit auch souverän an. Vielleicht kennen Sie Menschen, die Sicherheit ausstrahlen, aber keine Souveränität.
Die Feinde der Souveränität: Ablenkung und situative Unsicherheit
Ablenkung und Unsicherheiten sind die Gegenspieler der Souveränität. Denn wenn ich zu viel Ablenkung habe, dann besitze ich nicht den Überblick. Wenn ich in meinen Gedanken zu viele Bälle gleichzeitig in der Luft habe, muss ich mich eben auf diese Bälle konzentrieren, habe dadurch aber in anderen Bereichen nicht mehr genug geistige Ressourcen frei, um den Überblick zu wahren. Situative Unsicherheiten wiederum sind eine sehr diffizile Angelegenheit. Auch viele Menschen mit hoher Selbstsicherheit erleben situative Unsicherheiten. Dies lässt sich am besten anhand eines Beispiels darstellen: Jemand, der im Dressurreiten schon zwei Goldmedaillen gewonnen hat, wird auf dem Dressurplatz, im Pferdestall usw. eine sehr hohe Selbstsicherheit haben und in dieser Umgebung auch ausstrahlen. Ist es für Sie vorstellbar, dass die gleiche Person, wenn sie am Abend in einem Club unterwegs ist und Menschen kennenlernen will, möglicherweise sehr unsicher ist? Das ist situative Unsicherheit – und das ist der Unterschied zwischen Selbstsicherheit und wirklicher Souveränität.
Wahre Souveränität basiert auf Klarheit und Vertrauen
Klarheit ist Macht! Ein Motto, das mich persönlich seit vielen Jahren trägt. Doch was verbirgt sich hinter Klarheit? Genau genommen geht es um Entscheidungsklarheit. Denn wir werden mittlerweile 24 Stunden täglich mit «Ablenkungen» konfrontiert (schon hier entscheidet jeder selbst, wie lange und wie häufig er dies zulässt), können parallel auf jedes Wissen dieser Welt zugreifen und werden von Medien bis hin zu Facebook mit den unterschiedlichsten Meinungen bombardiert. Wer hier nicht lernt, bewusst zu entscheiden, befindet sich bereits im Dilemma. Es geht darum, für sich Folgendes zu klären: Was ist mir wirklich wichtig? Welchen Weg gehe ich? Welchen Werten bleibe ich treu? Welche Ziele verfolge ich? Welche Linie halte ich ein? Was hat in meinem Leben welche Priorität? Wer sich hier keine Klarheit verschafft, sondern stets hin- und herschwankt, der bindet unbewusst eine Unmenge geistiger Ressourcen. Diese stehen dann nicht mehr zur Verfügung, um den «Überblick» zu behalten. Dinge, die klar entschieden sind, kann man innerlich ablegen, weil man haargenau weiss, was der eigene Weg ist. Entscheidungsklarheit ist trainierbar. Selbstverständlich darf man Entscheidungen aus wichtigen Gründen wieder verändern. Entscheidend ist aber, nicht ständig hin- und herzuschwanken.
Vertrauen ist gleich Zukunft. Das bedeutet: Der Begriff Vertrauen bezieht sich immer auf die Zukunft. Denn vertrauen muss man dort, wo noch keine Fakten oder Ergebnisse vorhanden sind. Durch welches Vertrauen entsteht nun Souveränität? Es geht um das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Verhaltensweisen: Kann ich mir da trauen? Habe ich das Vertrauen, dass meine Fähigkeiten ausreichen, um alles hinzubekommen, was ich benötige – bzw. habe ich das Vertrauen, dass ich mir bei Bedarf neue Fähigkeiten aneignen kann? Vertrauen ist ja zunächst das Gegenteil von Unsicherheit. Unsicherheit ist die Angst, in eine Situation zu kommen, die ich nicht meinen Ansprüchen entsprechend bewerkstelligen kann. Diese Formulierung ist wichtig, um zu verstehen, warum zum Beispiel Perfektionismus der Souveränität immer im Weg steht. Man kann mit Perfektionismus erfolgreich sein, aber nicht souverän. Michael Jackson war sehr erfolgreich, aber nicht souverän.
Wie entsteht tiefes Vertrauen in sich selbst?
Unser Vertrauen in uns basiert stets auf der Reflexion unserer bisherigen Verhaltensweisen. Wenn sich jemand seit fünf Jahren vornimmt, dreimal die Woche Sport zu machen, und er hat es bis heute nicht einmal realisiert, dann beeinträchtig das sein Vertrauen in sich selbst. Ganz einfach. Deshalb verschaffen Sie sich ein realistisches Selbstbild: Wo stehen Sie heute? Setzen Sie sich realistische Ziele und entwickeln Sie sich auf dieser Basis weiter. Wenn es jemand in zwei Jahren nicht einmal geschafft hat, Sport zu machen, dann kann es ein realistisches Ziel sein, dies nur einmal im Monat zu tun – das aber absolut sicher. Wenn derjenige dann einmal im Monat Sport getrieben hat, fühlt es sich gut an und er lernt: Ich kann mir doch vertrauen. Und wenn er dann im nächsten Monat das Ziel verdoppelt und zweimal Sport getrieben hat, geht es aufwärts mit ihm.
Ist jemand sehr fleissig und konsequent und hat trotzdem kein Vertrauen in sich, dann kann das am Perfektionismus liegen. Perfektionismus kann umprogrammiert werden in «das Beste geben». Das «Beste» kann man erreichen – Perfektion nicht! Wenn ich mein Bestes gebe, mit dem Wissen und den Fähigkeiten, die mir heute zur Verfügung stehen, dann habe ich alles gegeben, und das reicht für heute! Wenn ich morgen etwas dazulerne bzw. trainiere, dann ist mein Bestes morgen vielleicht schon etwas mehr. So funktioniert Entwicklung – man macht sich dabei nicht verrückt und es entsteht Schritt für Schritt Gelassenheit.