Klartext 2022

Hans-Uwe L. Köhler, E-member, Ehrenmitglied

Der Wunsch, einmal Klartext zu reden, zu schreiben, zu lesen oder zu hören und ist verwandt mit „klare Kante zeigen“, begleitet von „Tacheles reden“.

Politiker:innen beleidigen unseren Verstand mit Worthülsen aus der Floskelabteilung, wie z. B. mit „Chancen wahrnehmen“, „Voraussetzungen schaffen“, „Möglichkeiten eröffnen“ um dann das Land „gemeinsam nach vorne zu bringen“.

Doch Marketing&SalesManager:innen stehen den Politiker:innen in nichts nach! Hier klingt das Marketinggeschwurbel so:

  • Was soll eine „Gewinnwarnung“? Warnt sie nicht vielmehr vor dem Gegenteil, dem Verlust?
  • Schön ist auch die Aussage: „Wir tätigen eine Zukunftsinvestition“. Toll! Wer würde auch schon in die Vergangenheit investieren?
  • Es ist ja auch naheliegend, eine Preiserhöhung eine Preisoptimierung zu nennen.
  • Wenn der Vorstand auf der Jahreshauptversammlung laut verkündet, „man sei gut aufgestellt“, dann bedeutet das sehr wahrscheinlich, dass man keine Zukunftsahnung hat.

Natürlich darf auch ein Beispiel aus Bürokratendeutsch nicht fehlen. So formuliert die Deutschen Post: „Der Wertsack ist ein Beutel, der auf Grund seiner besonderen Verwendung nicht Wertbeutel sondern Wertsack genannt wird, weil sein Inhalt aus mehreren Wertbeuteln besteht, die in den Wertsack nicht gebeutelt, sondern versackt werden.“ (Quelle: Bernd Geropp)

Jetzt die Frage: Kann im Bereich Marketing und Sales Klartext gesprochen werden?

Den folgenden Satz haben alle Verkäufer:innen mit großer Wahrscheinlichkeit schon einmal gehört: „ … ist ja alles schön und gut mit ihrem Angebot, aber über den Preis müssen wir noch einmal reden, der ist einfach viel zu hoch!“ Aus Sicht der Kunden sprechen diese dann tatsächlich Klartext!

Diesen Kunden:innen können Sie jetzt nicht mit einem schlauen Spruch kommen. Einkäufer haben ihren Lopez gelernt (ehemaliger Chefeinkäufer von Opel und VW, der per Interview allen Lieferanten mitteilte, dass ein nächstes Einkaufsgespräch überhaupt nur dann Sinn machen würde, wenn das Angebot mindestens 25% günstiger sei als bisher!)

Stellen Sie sich bitte einmal vor, Sie hätten den Mut, auf die Forderung Ihres Gegenübers wie folgt zu antworten:

„Darf ich Ihnen erläutern was Sie bei unserem Preis berücksichtigen sollten?

Wir verzichten auf Kinderarbeit in Bangladesch, Indien oder im Kongo.

Wir beschäftigen keine Sklaven.

Für uns müssen keine Mitarbeiter aus Osteuropa zu Hungerlöhnen die Lieferketten aufrechterhalten.

Wir halten alle Arbeits- und Umweltstandards ein. Das sind wir unseren Mitarbeitern, Kunden und unseren Kindern schuldig.

Alle unsere Steuern zahlen wir in D/A/C.

Unsere Rohstoffe sind umweltneutral gewonnen und werden recycelt.

Wir sind ein Familienunternehmen in der dritten Generation. Langfristiger Ausbau des Unternehmens, qualifizierte Ausbildung der Mitarbeiter ist ein besonderes Anliegen der Geschäftsleitung, ebenso die Einbindung in der Kommune.

Es gibt für die Führungskräfte keine Boni und der Familienrat bestimmt die finanzielle Ausstattung der Vorstände.

Wir finanzieren uns nicht über Bankkredite.

Wir zerstören keine Regenwälder und produzieren CO 2 neutral …“

„Das ist ja alles gut und recht, aber der Preis ist dennoch zu hoch. Da müssen Sie einfach von runter, ich habe schließlich auch meine Vorgaben …“

„Herr Kunde, wenn Sie einen anderen Preis wollen, dann müssen Sie sich einen anderen Lieferanten suchen, der nichts von dem, was uns wichtig ist, einhält, der aber bereit ist, für einen finanziellen Vorteil alle Skrupel über Bord zu werfen!“

Wenn Sie jetzt denken: „Das geht nicht! Das könnte ich nie sagen!“, bleiben die folgenden Fragen:

  • Haben Sie diesen Satz denn überhaupt schon einmal gesagt?
  • Was haben Sie für ein Gefühl, wenn Sie erkennen, welche tatsächlichen Konsequenzen ein zu geringer Preis hat?
  • Was würde passieren, wenn Sie aufstünden und gingen?

Ihre Angst könnte ihnen einflüstern: Dann ist der Kunde weg! Bleibt die Frage: Sind Sie dann pleite, haben Sie Ihr Unternehmen ruiniert? Wahrscheinlich ist es ganz anders. Sie haben couragiert Ihre Position vertreten! Was soll Ihr Gegenüber jetzt machen? Er kann sich abwenden und woanders einkaufen. Gut. Er könnte aber auch zu Ihnen sagen: „Ihre Überzeugung imponiert mir! Wir suchen solche Lieferanten!“

Halten sie den Trainer Köhler bitte nicht für einen Träumer! Ich habe das schon einige Male selbst gemacht: Aufstehen und raus aus dem Gespräch! Einmal habe ich tatsächlich einen Auftrag verloren ‒ aber nicht den Kunden. Zwei Jahre später war Köhler wieder als wohlgelittener Trainer an Bord. Über mein Honorar wurde nie wieder verhandelt. Geht doch!

Jetzt etwas ganz Entscheidendes: allein, wenn man diesen Gedanken „draufhat“, wenn man ihn sich mantramäßig immer wieder klar macht, werden immer weniger potenzielle Kunden:innen einem diesen Satz an den Kopf werfen.

Brillante Trainer, Berater und Coaches des Club 55 befähigen ihre Teilnehmer zu einer Haltung, die solche Aussagen glaubwürdig und existenzsichernd vortragen können.

Ein Beitrag von: