Neu denken. Anders denken. Veränderungen erkennen und mitgestalten

So sieht es gerade aus …

„Führen wie ein Coach“; „Die Führungskraft als Dienstleister seiner Mitarbeiter:innen“; „Wir brauchen in Zukunft keine Manager:innen mehr“; „Lassen Sie die Belegschaft von der Leine“; „Warum wir keine Führungskräfte mehr brauchen“; „Statt Führung mehr Agilität“; „Statt Führung mehr New-Work-Spirit“; „Demokratisieren Sie Ihr Unternehmen“; und und und. Diese oder ähnliche Überschriften finden Sie gerade in fast allen Manager-Magazinen, Zeitschriften und in vielen Weiterbildungsangeboten.

Statt „War of talent“ gibt es jetzt den „War of everyone“. Wir finden nicht mehr „die guten, die richtigen“ Mitarbeiter:innen. Und dabei stehen wir erst am Anfang des demografischen Wandels. Der Druck für Leader steigt Tag für Tag. Druck von unten – Druck von oben. Die Herausforderungen in den Kundenmärkten steigen durch ganz neue Herausforderungen: neue gesetzliche Auflagen, Materiallieferschwierigkeiten, ein gnadenlos schwankender Energiemarkt, insgesamt eine dramatische Verunsicherung in den Unternehmen (und darüber hinaus).

In den einschlägigen Weiterbildungseinrichtungen werden Führungskräfte in „Empathie“, „Der Ausstieg vom Aufstieg“, „Verzicht auf formale Führung“, „Der Abschied von Hierarchie, Anweisung und Kontrolle“, „Führung 4.0“ trainiert. Ich könnte hier auch noch dutzende Buzzwords wie VUCA und BANI ergänzen.

Mitarbeiter:innen in der typischen Sandwichposition werden verbrannt. Steigende Fehlzeiten, erhöhte Fluktuation und 360°-Feedbacks erzeugen unglaublichen Druck. Die Therapeutisierung von Mitarbeiter:innen-Führung hält Einzug in die Unternehmen. Betreutes Arbeiten für Mitarbeiter:innen und auch für die Chefs. Mein Eindruck ist, dass professionelles Coaching fast nicht mehr ausreicht, um die menschlichen Herausforderungen im beruflichen Alltag zu lösen.

… und das sind die Folgen

Im Führungsalltag macht sich diese Situation wie folgt bemerkbar: die Konsequenz leidet, die Klarheit leidet, die Entscheidungsgeschwindigkeit leidet, die Freude leidet, der Streit leidet, die Sorgen steigen, die Verunsicherung steigt. Die Harmoniesucht bei Führungskräften steigt stetig an. „Wir möchten es ja allen recht machen, aber wie?“

Damit wir uns richtig verstehen: Es geht hier nicht darum, an alte „Führungsideologien zu kleben“ oder die veränderten Anforderungen an Führung in der Zukunft zu verteufeln. Nein, ganz und gar nicht. Natürlich brauchen wir neue Wege, um die anstehenden Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

„Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ Albert Einstein

Fakt ist auch, dass wir nach wie vor abertausende Menschen in der Führungsposition haben, die nicht oder nur unzureichend ausgebildet sind und das rächt sich jetzt umso mehr. Es gibt kein falsch oder richtig – kein schwarz oder weiß. Wir brauchen starke und stabile Persönlichkeiten in Führungspositionen, die extrem reflektiert arbeiten und ein sehr breites Führungswissen beherrschen. Führungsverhalten braucht heute außerdem eine sehr hohe Flexibilität. Dabei darf sich die kritische Selbstreflexion nicht mehr auf das eigene Tun und Wirken beschränken. Den Blick von oben auf sich und sein Handeln, das Erkennen eigener Handlungsmuster, Fragen zum eigenen Führungsverhalten, zu den persönlichen Werten sowie ein Abgleich von Fremd- und Selbstwahrnehmung gehören heute in jede exzellente Leadership-Ausbildung.

Persönlichkeitstest helfen sehr, sind jedoch nicht ausreichend, zumal viele Führungskräfte ihren Mitarbeiter:innen den Zugang zu DISG, INSIGHTS, HBTI oder anderen Tests gerne im begrenzten Rahmen von Teamentwicklung ermöglichen. Oder sie werden zur Bewerberanalyse eingesetzt. Es ist ein erster guter Schritt.

Eine radikale Selbstreflexion führt die Führungskraft an die Wurzeln, ihre ureigensten Stärken und Potentiale und an ihre persönlichen und natürlichen Grenzen. So werden neue Chancen eröffnet, für sich und das Team, neue und individuelle Lösungen zu finden.

Selbstreflexion führt zu einem stabilen Selbstwertgefühl und ist die Voraussetzung den angemessenen Weg in der jeweiligen Führungssituation in zu finden. Wer so zu seinen eigenen Wurzeln findet, dem erschließen sich neue Kraftquellen. Neue Energien werden freigesetzt und Blockaden abgebaut. Selbstreflexion heißt Wachstum: Wer sich selbst sieht, der begreift die Welt.

Radikale Selbstreflexion gelingt nur in einem Umfeld von Vertrauen und braucht gezielte Übungen sowie den Spiegel von Dritten. Traue dich!

“There is nothing noble in being superior to your fellow man; true nobility is being superior to your former self.” – Ernest Hemingway

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