Story.Telling.Selling – Eine Geschichte

Felix A. ist seit neun Jahren erfolgreicher Vertriebsleiter bei der IT-Tech, einem mittelgrossen Systemhaus, das sich auf Informations- und Kommunikationstechnologie für KMUs bzw. den Mittelstand spezialisiert hat. Seit einigen Jahren schon belächelt er das Marketingteam: diese möchte-gern-kreativen Köpfe und ihre Idee vom «Lösungsverkauf». Felix A. kann es nicht mehr hören: «Wir verkaufen keine Produkte, sondern Lösungen!» Ha, natürlich verkaufen wir keine Produkte, sondern Software, Lizenzen, Serviceverträge usw. Klar, manchmal auch Hardware. Das aber mehr, weil die Kunden alles aus einer Hand haben möchten. Geld wird bei der IT-Tech schon lange nicht mehr mit echten Produkten verdient. Und seine Provision hängt da auch nicht dran. Felix A. weiss sich in guter Gesellschaft. Auch seine Account-Manager und sein Vertriebsteam schmunzeln insgeheim über das Marketing und den Lösungsverkauf. Manchmal lachen er und seine Kollegen auch laut – vor allem, wenn sie sich nach den regelmässigen Sales-Meetings abends noch auf das ein oder andere Bier an der Bar treffen. Genau die richtige Zeit, um ein bisschen über «die aus dem Marketing» zu lästern. Einfach, weil die keine Ahnung von der Arbeit an der Front bei den Kunden haben.

Monika M. ist Leiterin der Marketingabteilung bei der IT-Tech. Grundsätzlich erfüllt sie dieser Job mit grosser Freude – wenn da nicht die Kollegen aus dem Verkauf wären. Monika M. und ihr Team machen einen guten Job, zumindest nach eigenem Ermessen. Nach allen Regeln der (Marketing-)Kunst werden neue Themen aufgegriffen, zentral im Team erarbeitet, mit der Geschäftsleitung abgestimmt und dann bei einem Sales-Meeting präsentiert. Das sind durchaus tolle Konzepte, die auch gekonnt vorgestellt werden – denkt Monika M. Wären da nicht in die gelangweilten Gesichter der Vertriebskollegen, wenn diese nicht gerade während des Vortrags auf ihrem Smartphone arbeiten. Der Vertrieb weiss die Arbeit des Marketings einfach nicht zu schätzen, leider. Aber vielleicht schafft die neue Studie, die Monika M. bei einer Beratungsfirma in Auftrag gegeben hat, Abhilfe. Das Thema: «Die Anforderungen unserer Kunden 20XX und unsere Herausforderungen.» Zur Überraschung von Monika M. hat auch Felix A. der Studie zugestimmt. Er sagte: «Wir sollten endlich einmal verstehen, was unsere Kunden wirklich bewegt. Es kann doch nicht sein, dass es immer nur um den günstigsten Preis geht.» Das hat Monika M. schon erstaunt, denn genau das ist es eigentlich, was man regelmässig aus dem Vertrieb zu hören bekommt.

Als die Ergebnisse der Studie auf dem Tisch liegen, treffen sich Monika M. und Felix A. zu einer ersten Analyse. Die Fakten: Die IT-Tech wird als zuverlässiger Lieferant wahrgenommen. Leider nur als einer von vielen. Die Kunden sind nicht unzufrieden, aber eben auch nicht wirklich zufrieden. Und dann stolpern beide über ein Zitat des Geschäftsführers des wichtigsten Kunden der IT Tech: «Wir wollen keine Soft- und Hardware von euch, sondern wir wollen von euch wissen, wie wir in Zeiten der Digitalisierung erfolgreich bleiben können.» Monika M. und Felix A. sehen sich erstaunt an. Felix A. grübelt und sagt: «Dazu müssen wir den Verkaufsprozess komplett auf den Kopf stellen.» Monika M. ergänzt: «Wir müssen uns in die Lage unserer Kunden versetzen und verstehen, was deren Herausforderungen sind.» Beiden ist klar, dass es dabei nicht um IT geht, sondern um das Geschäft ihrer Kunden in deren Märkten.

Am kommenden Wochenende ist Monika M. auf der Suche nach einem Geschenk in einer Buchhandlung. Durch Zufall nimmt sie das Buch «Value Proposition Canvas» in die Hand und ist gleich fasziniert. Das wäre es, findet sie: ein Workshop mit ein paar Kollegen, bei dem es zunächst darum geht, den Kunden und die Aufgaben seines Unternehmens zu verstehen sowie seine Ziele und Probleme. Darauf aufbauend erarbeitet man gemeinsam Lösungen für die Probleme des Kunden und konkrete Ansätze, wie man dem Kunden bei der Erreichung seiner Ziele helfen kann. Daraus entstehen dann Produkt- und Dienstleistungspakete, die die Bezeichnung «Lösung» auch verdienen.

Monika M. beschliesst, das Konzept direkt am Montagmorgen ihrem Vertriebskollegen vorzustellen. Felix A. ist zunächst skeptisch. Noch nie haben seine Mitarbeiter derart interaktiv in einem Workshop zu konkreten Kundenthemen gearbeitet, das war bis jetzt doch immer Aufgabe der Produktentwicklung, der Programmierer und des Marketings. Aber als Monika M. ihm versichert, dass diese Bereiche auch dabei sein sollten, ist er einverstanden.

Die Arbeit im Workshop erweist sich als leicht und spielerisch und alle sind erstaunt, wie rasch man vorankommt. Dabei helfen die Vorlagen des Konzeptes, die im Internet frei verfügbar sind, und natürlich die Hinweise aus dem Buch, das Monika M. und Felix A. mittlerweile gelesen haben. Das Team arbeitet auf einem grossen Plakat, einer Leinwand («Canvas») und mit farbigen Klebezetteln, die sich leicht immer wieder neu gruppieren lassen. Am Ende ist die Leinwand voll und sehr bunt. Trotzdem spüren alle die Substanz, die darinsteckt. Die Arbeit hat gerade erst begonnen …

«Wir müssen eine oder mehrere Geschichten kreieren, in der unsere Produkte und Dienstleistungen einen Beitrag leisten, um die Herausforderungen der Kunden zu lösen,» sagt Felix A. Monika M. stimmt zu: «So, wie es jetzt dasteht, verstehen weder wir noch unsere Kunden, wo die Reise hingeht.» Daher sieht sich das Team das Chaos nochmals an und identifiziert nach einigen Diskussionen vier Themen, die Kunden interessieren könnten:

  1. Prozesse beschleunigen
  2. Einfach arbeiten
  3. Einfach kommunizieren
  4. Einfach vernetzen

«Das ist es!», sind sich alle einig. Die kommenden zwei Wochen verbringen sie damit, die Produkte und Services diesen Themen zuzuordnen und die bekannten Lösungsbeiträge und Problemlösungen darauf abzustimmen. Der Vertrieb sammelt Kundenbeispiele und Statements. Das Marketing entwickelt daraus für jedes Thema eine kleine Geschichte, mit konkreten Videos, Factsheets, Argumentationen und einer kleinen Kundenfallstudie. Erste Rückmeldungen vom Vertrieb, der diese Art des «Story.Telling.Selling» bereits eifrig ausprobiert, sind sehr positiv.

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