Voyage – wohin geht die Reise nach Corona?
Wer hätte sich zum Jahresbeginn 2020 vorstellen können, dass Fußballspiele ohne Zuschauer stattfinden, dass man ein Geschäft, eine Bank nur mit Maske betreten darf? Wie hätten Banken darauf reagiert? Das war unvorstellbar, eine Dystopie, die jeder Realität entbehrt. Und doch ist es 2020 so gekommen – quasi über Nacht. Eine neue Arbeitswelt, leere Büros, geschlossene Geschäfte. Verkäufer, die ihr erlerntes Verkaufswissen nicht mehr wie gewohnt anwenden können, weil keine Kunden mehr kommen. Stattdessen Homeoffice, Kundenbetreuung von zu Hause aus, digitale Kommunikation mit den Kunden über Kanäle, die mancher vorher vielleicht vom Hörensagen kannte.
Unternehmen, Verkäufer, Kunden, wir alle fanden uns plötzlich in einer Situation wieder, in der Improvisation normal wurde. Von null auf hundert, von einer Denkweise, in der Neuerungen mit Skepsis betrachtet wurden, zu einer radikalen Verhaltensänderung. Fast täglich wurden wir mit einer neuen Situation konfrontiert und mit neuen Regeln, auf die wir uns einstellen mussten. Dass dies notwendig sein würde, das hätte man ohne Corona niemandem vermitteln können.
Und nach Corona? Zurück in die alte Arbeitswelt? Nur für jene, die Corona nicht als Chance für Veränderungen, für Innovationen, für neue Geschäftsmodelle sehen. Vieles, was wir uns nicht vorstellen konnten, ist eingetroffen. Das Unwahrscheinliche, das Unmögliche ist möglich geworden. Das ist die Chance, sich neu zu positionieren. Neues wagen – mit Volldampf.
Noch mehr Kunden haben festgestellt, dass man zum Beispiel Bankgeschäfte ohne Filiale erledigen kann. Für eine Unterschrift extra zu einem Amt gehen? Unterlagen per Post übermitteln? Geht doch auch übers Internet. Ältere Menschen, die gelernt haben, via WhatsApp, FaceTime und Skype mit ihren Enkelkindern zu kommunizieren, haben als Folge auch gelernt, Produkte über das Internet zu kaufen. Wer in der Krise erkannt hat, wie bequem man das digital erledigen kann, wird dies auch künftig nutzen. Corona hat die Unternehmen endgültig in die digitale Welt katapultiert. Sie werden mit Hochdruck die digitale Zukunft gestalten müssen.
Gehören damit der persönliche Kontakt und die Erreichbarkeit eines Verkäufers in einem Geschäft endgültig der Vergangenheit an? Oder gibt es auch hier neue Chancen? Durch die erzwungene Distanz zwischen den Menschen ist uns bewusst geworden, wie wichtig und wertvoll soziale Nähe und persönlicher Kontakt sind. Wie sehr haben wir es im Lockdown vermisst, Freunde zu treffen, in ein Restaurant oder ein Kaffeehaus zu gehen. Die Gespräche und Besprechungen über Videosysteme von zu Hause aus waren zwar bequem und auch durchaus effizient und zielführend. Aber hat uns nicht doch etwas dabei gefehlt? Die über Internet bestellten Waren wurden zwar schnell geliefert, aber fehlte nicht doch das emotionale Einkaufserlebnis? Das persönliche Gespräch mit einem sympathischen und kompetenten Verkäufer oder Kundenberater? Die persönliche Kommunikation vermittelt eine andere Qualität als digitale Kommunikation. Darauf wollen wir auf Dauer nicht verzichten.
Viele Probleme und Wünsche von Menschen sind komplex und können als Lösungsansatz nur in der Gesamtbetrachtung der finanziellen und persönlichen Situation erklärt werden. Nur wenn der Verkäufer dies berücksichtigt, kann er die richtigen Angebote machen. Für die Unternehmen bedeutet das, dass sich die Kontaktpunkte mit den Kunden ändern. Einzelne Produktkäufe führt der Kunde in Zukunft vermehrt online durch, aber bei einer komplexen Problemstellung wird er mit einem kompetenten und empathischen Verkäufer bzw. Kundenberater seine Vorstellungen und die möglichen Rahmenbedingungen besprechen wollen.
Der Kundenwunsch nach regionaler Nähe wird wieder wichtiger. Werte wie Vertrauen sowie Vernetzung in der Region gewinnen an Bedeutung. Bei den Kunden vor Ort sein, für ein qualifiziertes, problemlösendes Gespräch zur Verfügung stehen – das gilt es transparent und spürbar zu machen. Offline präsent sein bekommt einen neuen Stellenwert, den es vor Corona nicht hatte. Digitaler und analoger Service sind optimal zu verbinden, omnikanale Kontaktwege müssen reibungslos funktionieren.
Ein zweiter großer Zukunftstrend ist die Nachhaltigkeit. Corona hat uns auch diesen Wert wieder bewusst gemacht. Unternehmen haben Verantwortung für das Geschäft und für die Umwelt. Und dies langfristig. Vielen Menschen ist es nicht mehr egal, was mit ihrem Geld passiert. Sie wollen mitentscheiden oder wählen können, ob sie ökologische, ökonomische oder soziale Projekte mit ihrem Einkauf unterstützen oder damit einen Beitrag leisten, um den Klimawandel zu bremsen.
Durch Corona haben wir noch etwas erkannt und gelernt: Die Sicherheit von Voraussagen ist komplett weg. Die Zeit der 5-Jahres-Pläne ist endgültig vorbei. Wir leben in permanenter Veränderung und müssen uns ständig neu orientieren. Das starre Festhalten an langfristigen Plänen ist dabei wenig hilfreich. Das ist eine völlig neue Aufgabe für das Management.
So hat uns Corona nicht nur eine massive Krise beschert, sondern auch Chancen gezeigt, wie wir in Zukunft erfolgreich sein können. Diese Chancen gilt es zu nutzen.